Ich liebe Sprachen

Ein Gespräch mit Miroslava Svolikova

Iwona Uberman: Du hast drei Stücke geschrieben: die hockenden (2015), Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt (2016) und europa flieht nach europa (2017). Seit wann schreibst du und warum fürs Theater?

Miroslava Svolikova: Ich habe sehr früh mit dem Schreiben begonnen, mit acht oder neun Jahren. Bei uns wurde immer sehr viel gelesen, der Bezug zu Text war immer da. Das Schreiben begleitet mich seit damals. Ich habe dazwischen auch ganz viele andere Sachen gemacht, mein Philosophiestudium z.B. aber irgendwann bin ich über eine Ausschreibung ins Theater gerutscht, das war 2014/15, noch während meines Kunststudiums und ziemlich unerwartet.

Und sehr erfolgreich – du bist sofort auf der Bühne des Burgtheaters gelandet.

Ich habe den Retzhofer Dramapreis für die hockenden gewonnen, der gleich mit einer Inszenierung an einem großen Haus verbunden war. Das mit dieser konkreten Aufführung hat sich dann erst bei der Preisverleihung rausgestellt, und auch, dass alles gleich so eine Resonanz hatte dadurch. europa flieht nach europa wird im Herbst ebenfalls am Burgtheater aufgeführt.

War die Ausschreibungsteilnahme schon eine bewusste Entscheidung für das Theater oder ein Versuch „just for fun“?

Es war ein Versuch, so wie alles im Leben letztlich ein Versuch ist. Das zeitgenössische Theater selbst ist so etwas wie ein Versuch, was das überhaupt bedeutet, fürs Theater zu schreiben, oder was das Theater gerade ist oder sein kann, das erscheint mir gerade sehr offen. Alles ist möglich, alles ist ein Versuch.

Letztlich gehören aber Ausschreibungen vor allem für Leute meiner Generation einfach dazu. Auch für unbezahlte Tätigkeiten oder richtig schlechte Jobs, und vor allem als Künstler, man bewirbt sich in Dauerschleife ständig für irgendetwas und hofft, dass es irgendwie weitergeht. So geht es den Figuren im Stern-Stück auch, die als Teil einer Wettbewerbs- und Casting-Gesellschaft schon gar nicht mehr wissen, worum es in dieser alles entscheidenden Ausschreibung überhaupt ging. Der Text ist ja ebenfalls im Rahmen einer Ausschreibung entstanden. Gleichzeitig kann das natürlich Möglichkeiten bieten.

 

Um aber wieder zur ursprünglichen Frage zurückzukommen, am Theater mag ich, jetzt aus der Perspektive des Autors, dass man für jedes Stück eine andere Form suchen kann, und eigentlich sehr frei ist, und dass man trotzdem nicht ganz abgekapselt ist, weil das Theater immer ein Ort des Austausches ist.

Deine Texte unterscheiden sich extrem voneinander. Schon bei den Titeln fällt es auf: die hockenden und Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt. Die meisten Autoren streben gewöhnlich danach, ihre eigene, sofort erkennbare Handschrift zu finden. Dich interessiert dieser Weg nicht?

Ich denke schon, dass ich eine eigene Handschrift habe, stilistisch gesehen.

Unterschiedliche Themen verlangen aber nach unterschiedlichen formalen Lösungen- siehe oben- der Inhalt schlägt sich in der Form des Textes wider. In den "hockenden" geht es um Abgeschlossenheit, in der "Mauer" um Auflösung- das sieht dann formal natürlich auch anders aus.

Es mag zwar marketingtechnisch gesehen sinnvoll sein, möglichst wiedererkennbar zu sein, wie eine Marke. So funktioniert das bei mir aber nicht, auch aus meiner Erfahrung in der bildenden Kunst heraus, wo das genauso ist... das ist aber nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung, und kann es auch nicht immer sein.

Ich lote letztlich aus, was geht, und womit ich arbeiten möchte, am Ende soll eine überzeugende Arbeit stehen und nicht die Frage, ob es sofort erkennbar ist. Ich will auch nicht immer dasselbe machen. Aber wenn eine Sache fertig ist, dann lasse ich sie hinter mir und könnte es auch gar nicht mehr noch einmal genauso machen, man entwickelt sich auch selber weiter.

Bis jetzt sind Inszenierungen von deinen Stücken in Händen der jungen Regisseure, die schon an großen Häusern wie Burgtheater oder Thalia Theater in Hamburg arbeiten. Würde dich als bildende Künstlerin nicht reizen, deine Stücke selbst auszustatten oder sogar ganz zu inszenieren?

Doch, sicher. Wenn ich mal die Möglichkeit bekomme, würde ich das gerne versuchen.

Und ich hatte bis jetzt, das möchte ich auch noch sagen, großes Glück mit der Regie, das ist auch nicht immer selbstverständlich, dass das gut zusammenpasst.

Stellst du dir beim Schreiben das Bühnenbild und Bühnengeschehen vor, oder konzentrierst du dich vorerst gedanklich auf Themen und Sprache?

Bei den hockenden war es mehr die Sprache und die Visualisierung der Situation auf eine abstrakte Art und Weise, beim Stern habe ich mir im Prinzip die ganze Aufführung vorgestellt, visualisiert und das so runtergeschrieben. Beim europa-Stück war es eine Kombination aus beidem. In meinem neuesten Stück bin ich gedanklich wieder direkt auf der Bühne, es geht um einen Sprecher und eine Souffleuse...

Spielt für dich deine Zweisprachigkeit für das dramatische Schreiben eine Rolle? Du schreibst Theaterstücke auf Deutsch, lassen sich dabei vielleicht in einer tieferen Schicht Assoziationen oder Metaphern finden, die dem Slowakischen näher sind?

Ich bin mit mehreren Sprachen aufgewachsen, habe eine englische Schule besucht, tschechische Märchen geschaut, mit meinen Eltern spreche ich slowakisch, sozialisiert bin ich auf Deutsch, meine Diplomarbeit vom Philosophiestudium ist zur Hälfte auf Französisch. Ein bisschen Schwedisch habe ich einmal gelernt und ein kleines bisschen Russisch. Ich weiß auch gar nicht, ob es die eine Sprache oder die Bilder der einen Sprache sind, die die andere beeinflusst, und nicht vielmehr die Sensibilität für die Eigenheiten einer Sprache, weil man daraus auch zurücktreten kann, von außen draufschauen. Jede Sprache hat ihre Eigenheiten. Ich liebe Sprachen. Wäre ich nicht Autorin geworden, dann vielleicht Übersetzerin. Mit dem Slowakischen verbinde ich zB. sehr viele Diminutive, Verniedlichungsformen, und weil ich es nur in der Familie kenne, ist es für mich eine schöne Sprache, um mit Kindern zu sprechen, man kann aus allem etwas Kleines und Beseeltes machen, es gibt unglaublich lustige Wörter, wenn man es vom Deutschen her denkt. "popolnik" habe ich meinem Freund beigebracht, der "Aschenbecher", das klingt für einen rein deutschsprachigen schon wie eine Märchenfigur! Das Deutsche wieder erlaubt sehr viel Freiheit über die Konstruktion, über die Satzstellungen, aber auch Wortschöpfungen. Die Bildschätze dieser indoeuropäischen Sprachen sind aber nicht so weit voneinander entfernt, letztlich gibt es durch die Verwandtschaft in der Tiefe etwas Gemeinsames.

Es sind vor allem europäische Sprachen, die dich umgeben. Und Europa als Thema scheint für deine Stücke wichtig zu sein. Nach Diese Mauer... kehrt es wieder in europa flieht nach europa. Auf die Uraufführung bei den Autorentheatertagen im Juni 2018 am Deutschen Theater in Berlin bin ich schon sehr gespannt.

Das Gespräch zwischen Autorin und Übersetzerin wurde schriftlich zwischen Wien und Berlin geführt und erschien in der polnischen Zeitschrift für Moderne Dramatik Dialog 4/2018 zusammen mit der Polnisch-Übersetzung des Stückes „die hockenden“.