Weiterbildung mit Zukunft
Sie sitzen zu dritt in einem Büro, Miriam, Mithra und Ümit. Wir befinden uns in der Akademie der kreativen Bildung, kurz AdkB, in einem Hinterhof in Berlin-Moabit. Nebenan sind schöne, große Ausbildungsräume dieser Bildungseinrichtung, die in Deutschland einzigartig ist, da man hier zertifizierte Theaterpädagog:in „mit interkultureller Kompetenz“ werden kann. Wegen dieser Qualifikation haben wir Auszubildende, die von weit herkommen, sagt die Mitarbeiterin Miriam Günthner, sogar aus München. Was ist interkulturelle Kompetenz? Und was ist eigentlich Theaterpädagogik? Fangen wir mit dem Zweiten an, sagt Mithra Zahedi, die die Schulleitung der AdkB innehat: Kurz gesagt ist Theaterpädagogik Theaterarbeit mit Laien in verschiedenen Bereichen: in Schulen, Jugend- und Kultureinrichtungen, Gefängnissen oder Kitas. Es ist auch Arbeit mit Behinderten, Senior:innen, Geflüchteten. Am sichtbarsten sind Theaterpädagog:innen, die an großen Theatern arbeiten und interessierte Zuschauer:innen-Gruppen betreuen, wenn sich diese ein Theaterstück angeschaut haben oder ansehen wollen und den Stoff etwas genauer ergründen möchten.
Tatsächlich ist Theaterpädagogik ein Bereich, der in letzter Zeit stark an Bedeutung gewinnt. Sie ist an den Schnittstellen von Bildung, Kultur und Gesellschaft angesiedelt und kann eine heute sehr aktuelle Lücke füllen. Sie qualifiziert Fachkräfte in den Bereichen, wo Mitarbeiter dringend gesucht werden. Beispielsweise in den Kitas. Wozu braucht man in Kitas Theaterpädagog:innen? Klassisch ausgebildete Erzieher:innen müssen keine Übungen oder Kinderspiele beherrschen, die den Kindern ermöglichen, sich altersgerecht auszudrücken, ihre Gefühle zu ordnen, mit der Welt und eigenen Schwierigkeiten zurecht zu kommen, was beim Heranwachsen und im weiteren Leben hilft. Hier springen Theaterpädagog:innen ein.
Ähnlich ist es bei den Schulen. Der klassische Unterricht kann nicht alles leisten. Dort bestimmen die Lehrer:innen, die sich wiederum an das vorgegebene Programm zu halten haben, welcher Stoff gelernt wird, welche Bücher gelesen, Hausaufgaben gemacht – also was Schüller:innen leisten sollen. Für das Herausfinden eigener Wünsche und Neigungen bleibt wenig Platz, ebenso wie fürs Üben, wie Entscheidungen in einer Gruppe ausgehandelt werden, in denen sich die eigene Meinung wiederspiegelt, das heißt, wie lernt man demokratisches Verhalten in einer vielfältigen Gesellschaft. Dafür holen sich einige Schulen Theaterpädagog:innen für Projekte, wo die Schüler:innen sich freiwillig ohne Druck und Noten in selbstbestimmter Gruppenarbeit ausprobieren dürfen. Gesellschaftspolitische Schulprojekte stehen hier oft im Mittelpunkt. Die Betreuung solcher Vorhaben behält die AdkB im Auge. Als wir unsere Einrichtung gegründet haben, war uns der politische Aspekt besonders wichtig, sagt Ümit Kiliç, der Geschäftsführer, es ist bis heute weiter so.
Die Absolvent:innen der AdkB haben anderen Theaterpädagog:innen noch etwas voraus: die interkulturelle Kompetenz. In der zunehmend kulturell diversen Gesellschaft ist der geübte Umgang und die gegenseitige Kommunikation zwischen verschiedenen Mitbürgern von großer Bedeutung. An der AdkB und nur dort unter den zertifizierten Weiterbildungsträgern dieser Art in Deutschland, widmet man sich dieser Thematik in 250 Unterrichtseinheiten. Das Praktizieren der erworbenen Kenntnisse geschieht dabei täglich. Unter den Studierenden gibt es neben Deutschen – ohne oder mit Migrationshintergrund – auch Menschen aus der Türkei, aus Syrien, Kroatien, Italien, Iran, Polen, Frankreich, Armenien, Afghanistan. Es gab sogar schon jemanden aus Neuseeland. Das enge Miteinander eröffnet immer wieder einen neuen Blick auf die Welt, geschieht aber nicht immer von alleine. Eine gemeinsame Umgangs- und Lernebene wird ständig aufs Neue hergestellt. Das erfordert Geduld und Offenheit – beispielsweise Geduld beim Zuhören, da nicht alle Teilnehmer:innen von Anfang an einwandfreies Deutsch sprechen.
Das führt manchmal zu großen Erfolgen wie bei einer syrischen Schauspielerin, die 2018 ihre Ausbildung an der AdkB machte. Die ersten Wochen, erzählt Miriam, hat sie ständig deutsche Worte nachgeschlagen, um zu verstehen, worüber man gerade diskutiert, man musste dies ständig im Auge behalten. Danach, beim Praktikum, das ein Teil der Weiterbildung ist, und den Lernenden erlaubt, wichtige Kontakte für die Zukunft zu knüpfen, entschied sie sich für die Arbeit mit Gefangenen. Es stellte sich heraus, dass es dort viele junge Verurteilte gab, die sehr schlecht Deutsch sprachen. Sie übte mit ihnen Deutsch in Theaterszenen, mit Humor und schauspielerischer Fantasie, und war dabei das beste Beispiel, wie das Deutschlernen funktionieren kann. Mit dem AdkB-Zertifikat fand sie Arbeit im Atelierhaus der AWO in Potsdam, dort ist sie nun Projektleiterin.
Auch bei der jetzigen Gruppe haben wir schon Signale, schließt sich Mithra Zahedi an, dass unsere Teilnehmer:innen gut ankommen: Ein Theater, das mit Senior:innen arbeitet, möchte eine Lernende übernehmen, ein Zirkus will jetzigen Praktikanten von uns behalten. Eine dritte Auszubildende wird nach ihrem Abschluss weiter an einem großen Theater für Workshops gebraucht. Nach unseren Kenntnissen integrieren sich über 70 % unserer Absolvent:innen nach der Weiterbildung in den ersten Arbeitsmarkt. Und wir würden noch mehrere Menschen in Arbeit bringen, so Ümit Kiliç, wenn man besser mit uns kooperieren würde. Wir haben oft 50-60 Bewerber:innen, die sich für die Ausbildung eignen, aber nur 4-5 von ihnen bekommen dafür von den Jobcentern oder Agenturen für Arbeit einen Bildungsschein. Gerade jetzt wissen einige noch nicht, ob sie bei uns im Herbst beginnen dürfen.
Wo liegen die Probleme? Zum einen wissen die Jobcenter-Mitarbeiter oft nicht, was Theaterpädagogik ist und denken: „Theaterpädagogik“ bedeutet Theater, heißt Schauspieler, und arbeitslose Schauspieler haben wir genug. Was ein Grund ist, den Bildungsschein nicht zu bewilligen. Zum anderen haben die Jobcenter-Mitarbeiter:innen auf ihrem Computer keinen Zugriff auf das Portal theapolis.de. Gerade dort aber werden die meisten Arbeitsplätze für Theaterpädagog:innen ausgeschrieben. Man sieht diese konkreten Stellen nicht und findet keine Grundlage für eine Weiterbildungsfinanzierung. Ümit geht in der letzten Zeit bei der Agentur für Arbeit von einer Leitung zu nächsten und versucht aufzuklären. Es ist mühsam und viel wertvolle Zeit geht dabei verloren, sagen alle drei. Aber sie machen weiter. Der nächste Lehrgang wird vorbereitet. Es sind noch Plätze frei.
Kontakt für mehr Informationen findet man auf der Webseite: www.adkb-berlin.de