Herzlich unwillkommen

Nach dem Intendantenwechsel - Bilanz Ende 2016

„Guter Wechsel“ – mit dieser Ankündigung trat die national-konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“, kurz PiS, im Herbst 2015 ihre Regierungszeit in Polen an. Wie sich dieser Wechsel gegenwärtig auf die Theaterlandschaft des Landes auswirkt, kann am deutlichsten am Beispiel des Teatr Polski in Wrocław beobachtet werden. Das Haus war in den letzten Jahren eine der führenden Bühnen Polens. Im November 2015 sorgte es für Schlagzeilen, weil es sich weigerte, dem Verbot des neuen Kulturministers zu folgen und die Premiere von Elfriede Jelineks „Der Tod und das Mädchen“ abzusagen, dem Pornografie unterstellt wurde. Im September 2016 erhielt das Theater nach einer kurzfristig angesetzten Ausschreibung einen neuen Intendanten: Cezary Morawski. Bis heute hören seitdem die Proteste des Ensembles, des Publikums, der polnischen Kulturszene und der europäischen Kunstschaffenden nicht auf.

Verantwortlich für den hastigen Intendantenwechsel sind Behörden der Region Niederschlesien, die keinen Konflikt mit dem neuen Kulturminister Gliński riskieren wollen, da das Theater nur zur Hälfte mit lokalen Mitteln und zur anderen Hälfte vom Ministerium finanziert wird. Der vom Teatr Polski 2015 „brüskierte“ Minister (das Theater berief sich beim Jelinek-Streit auf die Kunstfreiheit in Polen) machte der Wojewodschaft sehr deutlich, was passieren würde, bliebe der alte Intendant auf seinem Posten. Die Mitglieder der Kulturkommission der Region behaupten deshalb unermüdlich, dass alles auf gutem Wege sei und dass sich interne Missverständnisse im Hause durch Mediation allmählich werden beseitigen lassen.

Alles wird also gut? Die Realität spricht dagegen. Die Bilanz der ersten vier Monaten des neuen Intendanten Morawski ist verheerend. Das außergewöhnliche Ensemble wurde bereits zerschlagen: Sieben Hauptdarsteller wechselten inzwischen nach Warschau oder zum Teatr Stary in Kraków, zwölf weiteren wichtigen Mitarbeitern (darunter auch ein Gewerkschaftssprecher) wurde vor Weihnachten kurzfristig gekündigt. Das restliche Team ist zerstritten und spaltet sich auf in diejenigen, die weiterhin versuchen wollen, möglichst viel vom alten Bestand in die Zukunft hinwegzuretten, und diejenigen, die nun endlich einfach ihre Ruhe haben wollen. Kreativ zu sein, ist unter diesen Bedingungen schwierig.

Genauso schwierig ist es offensichtlich, dem Publikum überhaupt ein Programm anzubieten, da der neue Intendant aus dem bisherigen Repertoire sieben erfolgreiche Inszenierungen gestrichen hat, darunter Kultaufführungen wie „Tęczowa trybuna 2012” („Regenbogentribüne 2012“). Auch andere in Polen als Meisterwerke geltende Aufführungen werden wohl ebenfalls nicht mehr zu sehen sein, darunter „Wycinka“ („Holzfällen“) von einem der wichtigsten polnischen Theaterregisseure Krystian Lupa oder „Dziady“ („Totenfeier“) von Mickiewicz in der Regie von Michał Zadara. Ihnen war das Interesse in der Stadt und auf Gastspielen sicher.

Ersatzinszenierungen gibt es noch nicht, nicht einmal feste Zukunftspläne für das Programm. Nach ersten spärlichen Auskünften sollen in dieser Spielzeit zwei Inszenierungen entstehen: Zuerst wurden Molières „Der eingebildete Kranke“ und Gogols „Revisor“ genannt, danach erfuhr man über eine erste Probe zu „Macbeth“. Eine zweite gab es nicht und etwa zwei Wochen später hieß es, dass der Regisseur Janusz Wiśniewski doch Molière inszenieren werde. Die Proben sollen beginnen, wenn man Schauspieler gefunden hat – bei der ersten Besprechung waren nur drei anwesend, wobei keiner von ihnen zum jetzigen Ensemble gehörte.

Zu den internen Konflikten kommt, dass der neue Direktor auf Konfliktkurs mit den Fans des Teatr Polski ging: Nach einer Lesung im Oktober, als das Publikum erneut gegen ihn protestierte und laut verkündete, dass sie keine Inszenierungen von Wiśniewski sehen will (seine Inszenierungen im Teatr Nowy in Poznań waren so teuer, dass er als Leiter des dortigen Theaters abgesetzt wurde), antwortete Morawski den Protestierenden, dass sie in seinem Theater nicht willkommen seien und sich in Zukunft dort ja keine Aufführungen anzuschauen bräuchten.

Notdürftig wird der Spielplan des Teatr Polski durch Vermietung der Bühne an das Teatr Pantomimy und gelegentliche Gastspiele bestritten. Befremden löste dabei besonders die Einladung des Amateurtheaters Nie Teraz aus Tarnów aus, das sich selbst als „katholisch-national“ bezeichnet. In einem Manifest von ihm heißt es u.a.: „In der europäischen Kultur, in der Kunst des weißen Mannes, ist Gott am wichtigsten“ oder „Wir müssen uns Gott und der Tradition des christlichen Kultes (…) anpassen, wie es unsere Ahnen taten“. Von zwei in Wrocław geplanten Vorstellungen musste eine abgesagt werden, da sich nur zwei Eintrittskarten verkaufen ließen. „Guter Wechsel“ lässt sich nicht im Alleingang durchführen.

Erschienen in: Theater heute 2/2017